Scherz, Satire, Ironie und tiefere Bedeutung

Der Teufel flieht aus der eisigen Hölle auf die Erde und wird von vier Naturhistorikern gefunden. Unter den Menschen versucht er Böses zu stiften. So kauft er Liddy (die Nichte des Barons) dem Bräutigam Herrn von Wernthal ab und überlässt sie dem Wüstling Freiherrn von Mordax, der dafür 13 Schneidergesellen erstechen muss. Der Schmied, der dem Teufel ein neues Hufeisen anpassen soll, errät, mit wem er es zu tun hat und erzählt es dem immer betrunkenen Schulmeister. Der listige Lehrer weiß Rat. 16 in einem Käfig versteckte Kondome führen zur Gefangennahme des Teufels. Und auch Liddy kann mit Waffengewalt vor dem zudringlichen Mordax gerettet werden. Ein gutes Ende!

 

Obwohl fast 200 Jahre alt, hat dieser satirisch-bissige Text nichts von seiner Gesellschaftskritik verloren. Die Seitenhiebe auf schulmeisterliches Verhalten, das Aufs-Korn-nehmen einer bornierten Wissenschaft und die Dummheit der Journaille kommen frisch daher. Das liegt zum Einen an der Schrägheit dieser Satire, zum Anderen aber an der Fassung von Spielleiter Clemens Krause. Er hat behutsam gestrichen, dort wo es Seitenhiebe auf die Zeitgenossen Grabbes gibt, die uns heute unbekannt sind, wurden sie von neuen Texten ersetzt. Ein Gildo Horn bekommt ebenso sein Fett weg wie Rosamunde Pilcher.

 

Kein Bühnenbild

Die Gerstunger verzichten vollständig auf die Illustration der rasanten Geschichte durch ein gezimmertes oder gemaltes Bühnenbild. Lediglich ein dreidimensionaler, schmaler und leicht drehbarer Vorhang deutet durch die unterschiedliche Farbgebung den Ort des jeweiligen Geschehens an und bietet, da er begehbar ist, die Möglichkeit, sich zu verstecken und einen vierten Raum zu etablieren. Die Kostümierung aller Figuren ist zeitlos-modern. Nur klug ausgewählte Details, wie weiße Perücken der Höflinge oder schrille Sonnenbrillen der Naturhistoriker, die die blinde Borniertheit dieser Zunft unterstreichen, unterstützen das Spiel.

Und was für ein Spiel! Es ist fast unfair, einzelne Darsteller hervorzuheben, denn jede der Figuren, wurde so witzig, bewusst überzeichnet verkörpert. Wie konsequent der Bauer Tobies (Saskia Theune) den Hinkefuß mimt, wie die getragen-langsame Sprechweise von Bauernsohn Gottliebchen von Julia Wolf realisiert wurde es war einfach grandios.

Franziska Herwig als sich ständig kratzender Dichter Rattengift arbeitete mit allen Gesichtsmuskeln, so dass man meinte, einen ständig schnuppernden Nager vor sich zu haben. Wie sie den Kopf einzog und schräg stellte, wie sie förmlich ihren Hals verschwinden ließ, um die Falschheit und Gefährlichkeit der Figur von Rattengift zu unterstreichen, war unübertrefflich.

Dem Schulmeister des Dorfes und dem Teufel wurde von den Geschwistern Naemi (17 Jahre) und Samuel Simon (18 Jahre) Leben eingehaucht. Wie unangestrengt den Beiden die zum Teil komplizierten Grabbe'schen Wortkombinationen aus dem Mund purzelten, wie beweglich, oft akrobatisch sie jede Faser ihrer Körper zu nutzen verstanden, war meisterlich. Kaum zu glauben, dass beide noch keine Schauspielausbildung absolviert haben. Als der Schulmeister den Käfig über den Teufel stülpt, konnte man als Zuschauer Mitleid haben, so herzzerreißend kollerte der Satan über die Bühne.

Die Darstellung des Mordes an den dreizehn Schneidergesellen stellten alle Spieler gemeinsam dar. Jedes Abstechen war individuell, mal röchelnd, mal schreiend, dann wieder lautlos sanken die Körper auf die Erde. Durch den vergrößerten Gestus aller Beteiligten, der jeden Realismus vermied, konnte die Komik entstehen und den Funken zu einem begeisterten Publikum überspringen lassen.

Dass, was die Schüler der Theater-AG des Gerstunger Gymnasium in ihrer fast zweistündigen Aufführung boten, war so weit entfernt von dem (zu unrecht belächelten) Schultheater, wie die Erde von der Milchstraße. Und wenn eine junge Zuschauerin während des Applauses sagt: „Das möchte ich am Liebsten gleich noch einmal sehen“, wenn tosend geklatscht, getrampelt, und „Bravo“ gerufen wird, muss man einfach von einem perfekten Abschluss der 7. Südthüringischen Schultheatertage am Meininger Theater sprechen. Danke!

In der nächsten Woche, wenn die vielen Eindrücke verarbeitet sind, geben wir einen Rückblick auf diese spannende Theaterwoche. An dieser Stelle schon vorab ein riesiges Dankeschön an die Helfer des Meininger Theaters, die hinter den Kulissen für einen perfekten Ablauf sorgten. Dank an die Techniker Andreas Straßenberg, Lutz Wagner, Dirk Heim, Henri Poppenmüller, Andreas Kraus, Jürgen Kleffel, an die Beleuchter Michael Jakubowski, Eckehardt Boortz, Gabriel Ernst, Jens Eimann, Horst Götz, Bernd Scharfenberger, an die Kollegen vom Ton Thomas Spengler und Karsten Schober sowie an die Mitarbeiterinnen der Requisite Jessica Beer und Iris Rosemeier.

 

Ulrike Lenz